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Myths / Mythologies / Legends
Vorarlberger Drachensagen
archived 10-31-99
Archive file# m103199c
donated by James Vandale
Vorarlberger Drachensagen
Der Jolerbühel
Am oberen End des Dorfes Bezau erhebt sich mitten aus
dem Feld der Jolerbühel. Die Sage erzählt,
wie er entstanden ist.
Wo heute der Hügel ist,
stand vor Zeiten ein reiches Bauernhaus, umgeben von
einem schönen Feld. Da kam einmal ein unbekannter
Bettler und bat den Bauer um ein Almosen. Der aber war
geizig und hatte kein Herz und wies dem Bettler die
Türe. Da drehte sich das unbekannte Männlein
noch einmal um und sagte mit drohender Miene: "Warte
nur, ich werde dir dafür etwas bringen."
Kaum war das Männlein verschwunden, so schwärzte sich
der Himmel. Bald hörte man vom Gebirge her, aus
dem Gräfentobel herab, ein fürchterliches
Tosen, und ehe man es sich versah, schoss das Wasser
in Strömen aus dem Tobel und führte grosse
Steine und Tannen mit und überschwemmte und
überschüttete die Felder.
Mitten in den
tobenden Fluten erschien das unbekannte Männlein
mit einem grossen Drachen, den es an einer roten
Schnur führte, und blieb ober dem Haus des
Bauern stehen. Der Drache stiess alle vom Wasser
herabgerollten Felsblöcke und Baumstämme
mit seinem Schwanz gegen das Haus des Bauern, so
dass es mit Mann und Maus verschüttet wurde
und noch ein ganzer Hügel sich drüber
häufte.
Nachdem das Männlein so die
Lieblosigkeit des geizigen Bauern vergolten hatte,
führte es zur grössten Verwunderung der
Leute den Drachen an der roten Schnur mitten durch
das Dorf hinab, schlug den Weg gegen Andelsbuch ein
und verschwand. Keine Seele konnte erfahren, woher
das Männlein gekommen und wohin es mit dem
Drachen gezogen sei. Der Jolerbühel aber breitet
sich mit seinem langgestreckten Rücken noch
jetzt mitten im Felde aus als Beispiel und Warnung,
wie Hartherzigkeit und Geiz zuweilen schon auf Erden
bestraft werden.
Der Drache im Gallinatobel
Beim Nesselbrunnen im Gallinatobel liegt ein
grossmächtiger Stein, der heisst der
"Heerahus-Stee". Er stand ehedem auf drei
anderen Steinen, und man konnte unter ihm
kommod aus und einkriechen.
Ein Geissbub hat das
oft probiert und hat etlichemal blinkende Biessle
(Zehnkreuzerstücke) und Batzen darunter gefunden.
Des Geisslers Vater stach das schöne Geld in die
Augen und er kroch auch einmal unter den Heerahus-Stee.
Aber da entstand ein fürchterliches Wetter, es
donnerte und blitzte und es regnete, was
heruntermochte. Der Bach ging haushoch und
wälzte gewaltige Rüfemassen vor sich her,
so dass der Geldsucher die höchste Zeit hatte
zu fliehen.
Seit der Zeit ist die Höhlung unter
dem Heerahus-Stee verschwunden. Ein fahrender
Schüler hat dort einen Schatz verborgen und
ein Drache hütet ihn. Der Drache ist es auch,
der die entsetzlichen Wetter macht, die das Tobel
noch heutigstags durchtoben.
Es geht auch die Prophezeiung, der Drache werde
einmal das Tobel hinausfahren bei einem solchen
Unwetter, dass Laz, Gampelün und Gadon und
die ganze Gegend glauben, es sei der Welt Ende
gekommen. Wen es dann auf der gedeckten Brücke
in Feldkirch zu stehen leide, der werde steinreich
werden.
Der Drache im See Sonderdach
In dem Vorsäss Sonderdach etwa eine Stunde von
Bezau liegt ein Bergsee, da soll ein ungeheurer Drache
hausen. Wie tief der See sei, das sei nicht zu
ergründen. Als einmal Knechte es versuchten
und schon ein paar Klugen Zwirn an einem Stein
hinabgelassen hatten, tönten aus dem Wasser
herauf die Worte:
"Ergründst du mich, Verschling ich dich."
Seit der Zeit wurde kein Versuch mehr angestellt,
den See zu messen. Den Bezaubern aber ist die Angst
vor dem Drachen geblieben. Es heisst, wenn er sich
rühre und mit dem Schwanz um sich schlage, dann
könne es leicht geschehen, dass er das Ufer des
Sees durchstosse und dass dann der See mitsamt dem
Ungeheuer unter fürchterlichem Tosen und Brausen
in das Tal herabstürze und das ganze schöne
Dorf überschwemme und verheere.
Der Drachentöter
Aber viel früher einmal ist ein Fahrender nach
Brand gekommen, der konnte weit mehr und hat seine
Macht furchtbar an den Tag gelegt. Ober dem Gasthof,
der schon lange der Familie Kegele gehört, heisst
man es im Grassen, da war in alter Zeit ein
gräuselicher Drache. Der richtete grosses Unheil
an unter Mensch und Vieh. Die Alpen Palüd und
Barfienz waren seinetwegen unsicher und wenig wert.
Oft stieg er zu Tal und schädigte die Bauern,
die sich in der Ebene um das kleine gotische Kirchlein
anzusiedeln begannen. Alles wurde versucht, dem Untier
abzukommen. Auch die vom Lande herein wussten weder
Rat noch Hilfe.
Endlich kam ein Fahrender. Er
versprach Hilfe, aber die sei ebenso grässlich
als gründlich. Dennoch verlangten sie die Leute.
"Wollt ihr, dass ich den Drachen durch Feuer oder
Wasser töte?" da kratzten die Bauern sich hinter
den Ohren und hielten Rat. Die Macht der
Wildbäche und Rüfen kannten sie, aber das
Feuer mochte noch fürchterlicher sein. Daher
entschieden sie sich für das ihnen bekannte
Übel, aber was eintrat, das hatten sie doch
nicht geahnt.
An einem Abend kam das Unglück:
ein Blitzen, dass das Tal fast nicht mehr dunkel
wurde, ein Donnern und Tosen, wie wenn das
Gewölbe des Himmels zusammenfiele, ein Giessen
und Schütten, als ob das Wasser aus Eimern
geworfen wurde. Am ärgsten kam's vom Grassen her,
so dass unten die Anwohner aufgeschreckt wurden und
auf die andere Talseite flüchteten. Und sie
taten recht.
Gegen Mitternacht wurde das Rauschen und
Rollen noch ärger und man sah im Schein der
Blitze, wie sich drüben in der Höhe, wo
der Drache hauste, der Wiesenhang aus dem angrenzenden
Waldsaum loste, Wasen und Wasser, Bäume und
Steine wirbelnd sich herabwälzten und mitten
drin, sich ringelnd und fauchend der schreckliche
Wurm. Da auf einmal ein grelles Aufblitzen, ein
schranzender Schlag in diesen Morast hinein und dann
tiefschwarze Nacht. Man hörte das Donnern kaum
noch, desto lauter aber das Heranpoltern der
Rüfe, die einen stiebenden Erddampf vor sich her
trieb. Je näher, um so breiter und langsamer
kam sie, bis sie zum Bache herabbrach und das Bett
auffüllte und an das Ufer schlug, über dem
die Flüchtlinge gekauert harrten.
Bis in den Tag hinein blieb es stockfinstere Nacht,
und als es hellte, war der Jammer noch grösser
ob des schrecklichen Anblickes. Im ganzen Tal, soweit
man sehen konnte, hatte das Wetter arg gehaust,
am meisten aber am gefürchteten Berg. Wo
früher ein Bergweg gewesen, sah man eine
Mulde mit neugeschlagenem Tobel und drunter herab
alles überwüstet bis zum Bach, vom
Mühlbächlein herein bis zur Kirche, die
war mit Geröll ganz umschlossen und weiter
gegen die Tschapina lag Stein auf Stein. "Das ist das
Drachengrab", sprachen die Männer ernst zu Weib
und Kind. Der fahrende Schüler aber war
verschwunden.
Der Drache und das Venedigermännlein
Vor Zeiten hat in der Gemeinde Sonntag, im oberen
Walsertal, ein fürchterlicher Drache gehaust,
der unter Leut und Vieh grossen Schaden anrichtete.
Kein Mensch wusste, wie der Plage abzukommen sei.
Da kommt einmal ein Venedigermännlein, das setzt
sich ohne Furcht auf das Ungetüm, reitet darauf
durch das Lutztobel hinaus und schwenkt unter der
Lutzbrücke lustig noch sein Hütlein. Von
der Zeit an ward von dem Drachen nichts mehr gesehen.
Sources:
BEITL, R.: Im Sagenwald. Neue Sagen aus Vorarlberg. - 464 p.,
Feldkirch (Montfort-Verlag) 1953. Reprint Bregenz
(Franz-Michael-Felder-Verein) 1982.
VONBUN, F.J. & BEITL, R.: Die Sagen Vorarlbergs.
Mit Beiträgen aus Liechtenstein. - 308 p.,
Feldkirch (Montfort-Verlag) 1950. Reprint Bregenz
(Franz-Michael-Felder-Verein) 1980.
© MCMXCVIII by J. Georg Friebe
Custos Musei Naturalis Historiae Vorarlbergensis, Dornbirn (Austria)
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